Warum Offenheit der Schlüssel zu digitaler Souveränität bleibt
Künstliche Intelligenz verändert das Content Management grundlegend. Texte, Bilder und ganze Seiten entstehen heute in Sekunden. Was früher redaktionelle Routine war, übernehmen zunehmend automatisierte Systeme. Doch mit dieser Entwicklung wächst auch der Anspruch an Kontrolle, Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
Open-Source-CMS wie WordPress, Drupal, Plone und Contao reagieren darauf mit einem klaren Prinzip: Assistenz statt Autopilot. KI soll die Arbeit erleichtern, nicht sie ersetzen. Inhalte bleiben nachvollziehbar, Daten bleiben im eigenen Einflussbereich, und Redaktionen behalten das letzte Wort.
Während proprietäre Anbieter oft auf geschlossene KI-Ökosysteme setzen, verfolgen offene Systeme einen anderen Weg: Sie integrieren Künstliche Intelligenz modular, transparent und gemeinschaftlich entwickelt. Damit sichern sie, was im digitalen Wandel entscheidend ist – Souveränität über Inhalte, Daten und Entscheidungen.
Wird Content-Management überhaupt noch gebraucht?
Eine provokante Frage, die viele derzeit stellen. Schließlich erzeugen KI-Tools bereits Websites auf Knopfdruck. Reicht das nicht?
Für einfache Landingpages, Onepager oder kurze Kampagnenseiten vielleicht schon. Doch sobald Inhalte über mehrere Sprachen, Teams oder Kanäle hinweg gepflegt werden müssen, stößt der Baukasten-Charme schnell an Grenzen.
„Ein CMS wird nicht überflüssig“, sagt ein Drupal-Entwickler aus der Community. „Es wird nur intelligenter.“ Die Aufgabe verschiebt sich: weg vom reinen Seitenaufbau hin zur Content-Governance – also zu Prozessen, Workflows und Qualitätssicherung.
KI kann schreiben, bebildern, zusammenfassen. Aber sie braucht ein System, das Zugriffsrechte, Versionierung, Datenschutz und Nachvollziehbarkeit regelt. Und das bleibt die Domäne der CMS, vor allem der offenen.
Offenheit statt Blackbox
Während viele kommerzielle Anbieter mit „magischen“ KI-Features werben, setzen Open Source CMS auf ein anderes Prinzip: Transparenz und Kontrolle. Das ist keine technische Fußnote, sondern ein kultureller Unterschied. Offene Systeme wie WordPress, Drupal, Plone oder Contao erlauben ihren Nutzern, selbst zu entscheiden, welche KI-Dienste eingebunden werden, wie Daten fließen und wo sie gespeichert werden.
Ein Mitglied der Plone-Community bringt es auf den Punkt: „KI darf bei uns nie eine Blackbox sein. Sie soll helfen, aber nicht übernehmen.“
Während proprietäre Plattformen oft unklar lassen, wo Inhalte verarbeitet werden oder wie Modelle trainiert sind, können Open-Source-Systeme diese Fragen offen beantworten, oder sogar lokale KI-Modelle einsetzen, die komplett innerhalb der eigenen Infrastruktur laufen. Das ist digitale Souveränität im besten Sinne: Die Kontrolle bleibt bei denjenigen, die die Inhalte verantworten.
Interoperabilität: Wenn KI und CMS miteinander sprechen lernen
Ein spannender Entwicklungspfad führt über das Model Context Protocol (MCP), einen entstehenden Schnittstellenstandard, mit dem KI-Agenten sicher und nachvollziehbar mit Anwendungen interagieren können.
Statt dass jedes CMS seine eigene KI-Integration erfindet, könnte MCP künftig dafür sorgen, dass ein Assistent Inhalte generiert, überprüft oder übersetzt, und zwar unabhängig davon, ob er mit Drupal, WordPress, Plone oder Contao verbunden ist. Das Ziel: Interoperabilität statt Insellösungen. KI-Agenten würden auf standardisierte Weise verstehen, welche Daten sie anfordern dürfen, welche Aktionen erlaubt sind und welche Logs erzeugt werden müssen. Damit würde ein Grundstein gelegt für mehr Nachvollziehbarkeit und gemeinsame Entwicklung im Open-Source-Ökosystem.
Parallel dazu diskutieren Communities über ein gemeinsames, offenes Content-Container-Format, eine Art intelligenter Datenhülle, in der Inhalte, Strukturen, Metadaten, Übersetzungen und KI-Embeddings gebündelt werden. So könnten künftige Websites nicht mehr nur Datenbanken, sondern vernetzte Content-Hubs sein, die KI-gestützt miteinander kommunizieren.
Vier Systeme, vier Strategien
Jedes der großen Open-Source-CMS hat bereits seinen eigenen Weg eingeschlagen, KI zu integrieren, aber alle mit einem klaren Prinzip: Assistenz statt Autonomie.
WordPress: das lernfähige Ökosystem
Mit über 40 % Marktanteil ist WordPress ein globaler Gigant und zugleich ein Labor für KI-Experimente. Plugins wie AI Engine oder Jetpack AI Assistant helfen beim Schreiben, Übersetzen oder beim Erstellen von Bildern. Alles ist modular, nichts vorgeschrieben. Wer möchte, kann OpenAI, Anthropic oder lokale Modelle anbinden. Die Entscheidung liegt bei den Nutzenden.
Diese Offenheit führt zu enormer Innovationsgeschwindigkeit: Jeden Monat erscheinen neue Erweiterungen, die KI-Funktionen dorthin bringen, wo sie gebraucht werden: in den Block-Editor, ins SEO-Plugin oder in den Workflow-Automator.
Drupal: die strategische Plattform
Drupal geht den Weg der Integration systematisch. Die Drupal AI Initiative, vom Gründer Dries Buytaert 2024 gestartet, koordiniert Module und Standards. Drupal nutzt seine API-Architektur, um KI-Funktionen direkt in Workflows einzubetten: Zusammenfassungen, Übersetzungen, semantische Suche oder Accessibility-Checks können automatisch ausgelöst werden.
Eine Besonderheit: ECA-Workflows (Event-Condition-Action). Damit lässt sich definieren, wann und wie KI aktiv wird, zum Beispiel: „Wenn ein Redakteur einen Artikel speichert, und das Feld ‚Teaser‘ leer ist, generiere automatisch eine Zusammenfassung.“
Drupal denkt KI also als Regelwerk, nicht als Spielerei, sondern mit klarer Nachvollziehbarkeit und Datenschutzoptionen bis hin zu On-Prem-Modellen.
Plone: Architektin nachhaltiger Inhalte
Plone, traditionell stark im öffentlichen Sektor, steht für Stabilität, klare Strukturen und langfristige Pflegefähigkeit. KI-Funktionen entstehen bewusst als optionale Add-ons – nicht als fest verdrahteter Teil des Cores. So bleibt das System überschaubar, erweiterbar und anpassbar.
Ein Beispiel: Ein Add-on, das automatisch Alt-Texte für Bilder generiert und damit Redaktionen bei der Barrierefreiheit unterstützt. Andere Erweiterungen analysieren Lesbarkeit oder helfen bei der Textoptimierung.
Plone integriert KI dort, wo sie echten Nutzen bringt und behält dabei die strukturelle Integrität des Systems. So wird das CMS zum langfristigen Wissensspeicher, in dem Inhalte, Metadaten und Workflows zuverlässig gepflegt und nachvollziehbar bleiben
Contao: der pragmatische Alltagshelfer
Contao ist die vielleicht unterschätzte Größe im Open-Source-Feld, besonders beliebt bei Agenturen und mittelständischen Kunden. Mit schlankem Code und aktiver Community hat Contao KI schnell integriert:
Ein OpenAI-Plugin erstellt SEO-Titel, Meta-Beschreibungen oder Vorschläge für Fließtexte. Der Clou: Alles bleibt innerhalb des Redaktionsprozesses. Die Redakteurin entscheidet, ob der Vorschlag übernommen oder angepasst wird.
So wird KI zu einem praktischen Werkzeug, nicht zum Selbstzweck – ganz im Stil der Contao-Community: pragmatisch, menschlich, transparent.
Content Management bleibt, aber es wandelt sich
Der klassische CMS-Begriff erweitert sich. Nicht mehr das Befüllen von Seiten steht im Vordergrund, sondern das Orchestrieren von Inhalten über viele Kanäle: Website, App, Social Media, Newsletter, Intranet.
Ein modernes CMS ist längst ein Datenknotenpunkt, an den KI-Module andocken – mit klaren Verantwortlichkeiten, Rollen und Rechten.
Das unterscheidet offene Systeme fundamental von geschlossenen: Wo proprietäre KI-Tools Inhalte „automatisch“ generieren, lassen Open-Source-CMS ihre Nutzer entscheiden, wie weit sie diese Automatisierung zulassen.
Zukunftsperspektive: Der Mensch bleibt im Loop
Die Richtung ist klar: Open-Source-CMS werden zu intelligenten Content-Hubs, die KI dort einbinden, wo sie echten Mehrwert schafft – ohne die redaktionelle Hoheit aufzugeben.
Wenn Standards wie MCP und offene Content-Container-Formate Realität werden, könnte das Open-Source-Ökosystem gemeinsam eine neue Stufe der Interoperabilität erreichen – eine, die nicht von einzelnen Konzernen, sondern von Communities getragen wird.
Oder, wie es ein Entwickler auf einer Open-Source-Konferenz sagte: „KI kann alles, außer Verantwortung übernehmen. Dafür haben wir Open Source.“
Comments